Sitzfläche neu beziehen

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In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Europa die sogenannte Gründerzeit. Ein wirtschaftlicher Aufschwung sorgte für Wohlstand und die zunehmende Industrialisierung veränderte das Leben. Bekannt ist die Gründerzeit aufgrund verschiedener Bauten, nicht zuletzt aber aufgrund der Möbel. Gründerzeitmöbel ist bis heute ein Begriff, den man mit massiven Holzmöbeln verbindet, die meist bis heute nichts von ihrer ursprünglichen Pracht eingebüßt haben. Zusammen mit schweren Teppichen und dicken Tapeten dominierten die dunklen Möbel noch lange nach dem 19. Jahrhundert die Wohnzimmer. Wer sich für diesen Stil entscheidet, muss ihn konsequent durchziehen. Moderne Möbel, geprägt von klaren Linien und schlichtem Design, sowie lichtdurchflutete niedrige Räume mit hellen Böden und weißen Wänden, passen nicht zu den schweren Möbelstücken. Auch wenn sie heute noch in den Wohnungen der Großelterngeneration stehen, landen sie spätestens nach deren Tod beim Altwarenhändler. Heute wird die dominante Erscheinung der wuchtigen Schränke nicht mehr geschätzt. Möbel werden heute nicht mehr dafür gefertigt, Generationen zu überdauern. Allerdings gibt es heute auch ein Umdenken. Man kann eine Sitzfläche neu beziehen, statt einen neuen Stuhl zu kaufen, oder auch andere Möbel mit wenigen Handgriffen wieder reparieren. Nicht zuletzt leistet man damit auch einen Beitrag zum Umweltschutz.

Wegwerfkultur

Wir erleben heute ein Umdenken. Der Klimawandel steht längst nicht mehr vor der Tür. Er hat das Haus schon betreten und wir alle spüren seine Auswirkungen. Im Atlantik schwimmen im North Atlantic Garbage Patch über hunderte Kilometer verteilt unglaubliche Mengen an Plastik. Die Menge scheint zwar über die Jahre konstant zu sein, die Forscher gehen aber davon aus, dass das Plastik in kleinere, nicht von der Messung erfasste Teile zerfällt und sinkt. In einem Kubikmeter Meerwasser finden sich heute 1.000 Plastikteile. Ein Teilchen pro Liter. Bedenkt man die Größe der Ozeane, dann sind das beeindruckende Mengen. Plastik ist die am deutlichsten erkennbare Auswirkung unserer Wegwerfkultur der letzten Jahrzehnte. Was nicht mehr funktioniert, landet im Müll und wird durch eine Neuanschaffung ersetzt. Dabei schadet man der Umwelt gleich mehrfach.

Durch die Entsorgung, aber auch durch die Produktion des Ersatzes entstehen Schäden für die Umwelt. Grund genug für eine Trendumkehr und genau das erleben wir aktuell in seinen Anfängen. Es muss nicht immer etwas Neues sein. Mit ein wenig Geschick, ein paar Materialien und dem passenden Werkzeug lassen sich ausgediente Möbelstücke ganz leicht wiederbeleben.

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Die schweren dunklen Möbel der Gründerzeit sind extrem langlebig. Während diese Möbel noch für Generationen gedacht waren und entsprechend teuer waren, zählt bei modernen Möbeln in erster Linie der Preis und das Design

Stühle

Ein Möbelstück, das jeder von uns verwendet, ist der Stuhl. Die Sitzgelegenheit gibt es in ganz unterschiedlichen Ausführungen. Vom Bürodrehstuhl, über die Stühle am Esszimmertisch bis hin zum Barhocker. Die meisten Stühle haben eine gepolsterte Sitzfläche. Damit kann auch längere Zeit ermüdungsfrei auf ihnen sitzen. Basis dieser Polsterung sind überwiegend Schaumstoffe. Es gibt unterschiedliche Arten von Schaumstoffen, die sich durch die Punktelastizität und das Raumgewicht unterscheiden. Auch hochwertige Schaumstoffe ermüden mit der Zeit.

So wie eine Matratze nach einigen Jahren eine deutliche Vertiefung aufweist, so ermüdet auch der Schaumstoff in den Stühlen und Sitzbänken. Der Schaumstoff verliert seine Elastizität und wird härter. Das längere Sitzen wird unangenehm und manchmal auch schmerzhaft. Zusammen mit der Polsterung wird auch der Überzug mit den Jahren immer mehr abgenützt. Der harte Schaumstoff tut schließlich sein Übriges und belastet das alte Material noch zusätzlich. Die Folge sind Löcher und Risse in der Sitzfläche. Das Material wird rissig und löst sich in manchen Fällen immer mehr auf.

Sitzfläche neu beziehen

Statt das Sitzmöbel zu entsorgen, kann man sehr einfach die Sitzfläche neu beziehen. Dafür braucht man lediglich eine Handvoll Materialien und Werkzeuge:

  • ein Schraubendreher, oder Schraubenschlüssel zum Abmontieren der Sitzfläche und evtl. der Lehne
  • ein flacher Schraubendreher und eine Zange zum Entfernen der Klammern
  • PUR-Schaumstoff, HR-Kaltschaum, oder Visco-Schaum als Polsterung
  • ein scharfes Messer zum Zuschneiden der Polsterung
  • Leder, Kunstleder, oder Textilien als Überzug
  • evtl. Rückseitenvlies
  • evtl. Spitzbohrer
  • ein Stift zum Anzeichnen und eine Schere zum Zuschneiden des Überzugs
  • ein Tacker mit Klammern, die nicht länger sind, als die Dicke der Sitzfläche
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Leder ist seit jeher ein belastbares Material, das in vielen Lebensbereichen erfolgreich eingesetzt wird

Auswahl des Überzugs

Der erste Schritt, beim Sitzfläche neu beziehen, ist die Auswahl der Materialien. Beim Bezug selbst hat man die Qual der Wahl, darf aber auch die Haltbarkeit nicht aus den Augen verlieren. Seit Jahrhunderten, das beste und langlebigste Material, mit dem Sitzpolster bezogen werden, ist Echtleder. Leder ist atmungsaktiv, widerstandsfähig und extrem langlebig. Online kann man Leder kaufen bei Softart leder und zwischen verschiedenen Qualitäten auswählen. Rauleder hat eine sehr schöne Optik, ist aber anfällig für Verschmutzungen. Schmutzabweisend und unempfindlich für Fettflecken, sind Glattleder. Diese Leder sind daher besonders für Esszimmermöbel geeignet. Echtleder ist verhältnismäßig teuer, wertet die Möbel aber deutlich auf und ist sehr langlebig. Kunstleder besteht aus Stoff, der mit einer Kunststoffschicht versehen wurde. Es vereint die Flexibilität der Textilie mit der einfachen Pflege des Kunststoffs. Kunstleder ist wasserabweisend, flexibel und leicht zu reinigen.

Altes Kunstleder verliert mit der Zeit die Flexibilität. Die Kunststoffschicht wird brüchig und löst sich von Stoff. Damit muss das Kunstleder ausgetauscht werden. Je nach Nutzung kann man von etwa fünf Jahren ausgehen, die das Kunstleder intakt bleibt. Danach muss es voraussichtlich ausgetauscht werden. Die dritte Option für den Überzug sind Textilien. Hier hat man die freie Auswahl, was die Dicke, die Oberfläche und das Design betrifft. Je nach Qualität ist die Lebenserwartung der Textilien ebenfalls auf einige Jahre beschränkt. Der größte Nachteil ist allerdings, dass Textilien leicht verschmutzen und aufwändig gereinigt werden müsse. Damit sind sie nur bedingt für Stühle geeignet.

Auswahl der Polsterung

Meist ist der Grund für das neu Beziehen der Sitzfläche, dass die Polsterung hart geworden ist und der Sitzkomfort leidet. Tauscht man also den Bezug, dann sollte man auch gleich die Polsterung erneuern. Zur Auswahl stehen unterschiedliche Schaumstoffe. Die beste Qualität bringt Viscoschaum. Der Schaum ist weich, verteilt den Druck sehr gut und findet nach der Belastung immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück. HR-Kaltschaum hat ähnliche Eigenschaften, verteilt die Belastung aber nicht so effizient, wie Viscoschaum. HR steht für High Resilent, also hochelastisch. So wie der Viscoschaum gelangt auch der HR-Kaltschaum immer wieder zurück in seine Ausgangsform. Je nach Belastung wählt man das entsprechende Raumgewicht. Eine Bezeichnung wie RG40 steht dabei für 40 Kilogramm, die ein m³ HR-Kaltschaum wiegt.

Je höher das Raumgewicht, desto widerstandsfähiger ist der HR-Kaltschaum. Bei täglicher Nutzung empfiehlt sich ein Raumgewicht von 50 Kilogramm pro m³. PUR-Schaumstoff ist eine weitere Form, die Polsterung der Sitzgelegenheit zu erneuern. Allerdings hat der PUR-Schaumstoff keinen Vorteil gegenüber dem HR-Kaltschaum. Der Preis ist bei beiden gleich, der HR-Kaltschaum ist aber punktelastischer und bietet damit einen höheren Sitzkomfort. Es bleibt also die Entscheidung zwischen HR-Kaltschaum und Viscoschaum, wobei der Viscoschaum mehr als doppelt so teuer ist, wie der HR-Kaltschaum. Die beste Variante für die Polsterung ist in den meisten Fällen daher der HR-Kaltschaum. Zusätzlich kann eine Schicht Polsterwatte zwischen Schaumstoff und Überzug gelegt werden.

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Schaumstoffe, egal ob PUR-Schaumstoff, oder HR-Kaltschaum, besteht aus aufgeschäumten Kunststoff

Stuhl zerlegen

Hat man sich für die Materialien entschieden und alles Notwendige besorgt, kann man damit beginnen, die Sitzfläche neu zu beziehen. Dazu wird im ersten Schritt die Sitzfläche abmontiert. Normalerweise ist sie von unten verschraubt. Mit einem Schraubendreher, oder einem Schraubenschlüssel kann man sie leicht lösen und vom Stuhl trennen. Im nächsten Schritt wird der alte Überzug entfernt. An der Unterseite ist die Sitzfläche normalerweise mit einem Vlies abgedeckt. Dieses Rückseitenvlies ist sehr dünn und übersteht die Demontage häufig nicht. Es ist also gut, ein neues Rückseitenvlies zur Hand zu haben. Die Klammern, mit denen der alte Überzug befestigt ist, werden mit dem flachen Schraubendreher gelockert und mit der Zange entfernt. Ist der Überzug entfernt bleibt die Holzplatte, auf der die alte Polsterung liegt. Den alten Bezug kann man als Schnittmuster zur Seite legen. Polsterung und gegebenenfalls Polsterwatte werden entsorgt.

Polsterung erneuern

Im nächsten Schritt wird die Polsterung erneuer. Dazu legt man die Sitzfläche, mit der Oberseite nach unten, auf den HR-Kaltschaum. Die Polsterung wird entlang der Kontur der Sitzfläche zugeschnitten. Danach legt man den zugeschnittenen Kaltschaum auf die Polsterwatte. Darauf kommt die Sitzfläche mit der Oberseite nach unten. Die Polsterwatte wird großzügig zugeschnitten, sodass man sie über die Holzplatte einschlagen kann und ausreichend Material zum Fest tackern zur Verfügung steht. Ist die Polsterwatte zugeschnitten, wird sie zunächst an jeder Seite einmal mittig mit einer Klammer festgetackert. Die Ecken bleiben vorerst offen. Dabei wird leichter Zug ausgeübt, sodass die Polsterwatte glatt auf dem Kaltschaum liegt.

Im nächsten Schritt wird von der Mitte beginnend immer einmal rechts, einmal links, Seite für Seite festgetackert. Hier sind Klammern alle paar Zentimeter ausreichend, weil ja später auch noch der Überzug befestigt wird. Die Polsterwatte wird wieder leicht gespannt, um sie glattzuziehen. Allerdings muss man sehr darauf achten, dass man gleichmäßig fest zieht, da die Kanten im Kaltschaum sonst wellig werden. Zuletzt werden die Ecken sorgfältig in Falten gelegt und festgetackert. Auch hier muss man darauf achten, die Polsterwatte gleichmäßig zu spannen, damit die Polsterung nicht eingedrückt wird.

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Leder ist pflegeleicht und in vielen Farben und Qualitäten erhältlich

Neu beziehen

Als Nächstes wird der neue Überzug befestigt. Die Montage erfolgt genauso, wie bei der Polsterwatte. Die Sitzfläche wird wieder mit der Unterseite nach oben auf das Material gelegt und entlang der Kanten so großzügig zugeschnitten, dass sie einige Zentimeter über die Sitzfläche gefaltet werden kann. Auch der Bezug wird zuerst unter leichtem Zug, jeweils in der Mitte der vier Seiten befestigt. Um das Material auf Falten zu prüfen, dreht man die Sitzfläche um. Gegebenenfalls muss man die Klammer wieder lösen und weniger, oder mehr Zug ausüben. Auch beim Fixieren der einzelnen Seiten wird immer wieder geprüft, ob das Material glatt über die ganze Sitzfläche liegt. Die Ecken bleiben wieder bis zuletzt offen. Beim Fest tackern der Seiten wird nicht gespart.

Diesmal können die Klammern direkt nebeneinander gesetzt werden. Wie schon bei der Polsterwatte muss man sehr darauf achten, dass man gleichmäßig zieht und die Kanten glatt sind, ohne dass einzelne Bereiche eingedrückt erscheinen. Zuletzt werden wieder die Ecken befestigt. Das Material liegt hier in mehreren Schichten übereinander, was gegebenenfalls den Einsatz längerer Klammern erforderlich macht. Die Ecken werden, wie zuvor die Polsterwatte, sorgfältig in Falten gelegt und jede Falte nacheinander mit einer Klammer fixiert. Auch hier muss man den Zug so dosieren, dass das Material glatt ist, aber keine Dellen in der Polsterung entstehen.

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Stühle spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle. Auch wenn sie alt und abgenützt sind, lassen sie sich mit wenig Aufwand leicht renovieren und wieder zu bequemen Sitzgelegenheiten machen

Letzte Schritte

Zuletzt wird überstehende Polsterwatte und der überstehende Bezug entlang der Klammern abgeschnitten. Auf der Unterseite wird jetzt das Rückseitenvlies angebracht. Dazu wird das Vlies auf jeder Seite etwa einen Zentimeter größer zugeschnitten, als benötigt. Die Kanten werden nach unten eingeschlagen und das Vlies mit dem Tacker befestigt. Mit einem Spitzbohrer werden die Löcher für die Schrauben gesucht und das Vlies darüber durchstochen. Zuletzt wird die Sitzfläche wieder an den Stuhl, oder die Bank geschraubt. Die Kosten für die Materialien sind gering und die Durchführung auch für Laien sehr einfach zu erledigen. Mit wenig Aufwand lassen sich damit alte Stühle und Sitzbänke problemlos zu neuen Hinguckern machen. Die Sitzgelegenheiten sind damit wieder fit für die nächsten 10 Jahre und mit jedem Jahr, das man ein Möbelstück nutzt, schont man die Umwelt. Auch der Gebrauchtkauf wird damit eine echte Option. Unansehnliche und harte Sitzpolster werden kurzerhand erneuert und aus dem Schnäppchen aus den Kleinanzeigen werden neuwertige Möbel für den täglichen Einsatz. Sitzfläche neu beziehen: ein sinnvolles und nachhaltiges Projekt!

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